Es ist ja gerade Mode sich zu entschlacken oder zu entgiften. Und eigentlich passt das auch ganz gut. Denn ich habe mich (in Teilen) von (formerly known as „Don’t be evil„)-Google verabschiedet!
Was ist passiert?
Seit Jahren nutze ich die Google Play Music. Als „alter“ Musiksammler habe ich über die letzten knapp 4 Jahrzehnte einige CDs (und ja auch Vinyls) angesammelt. Ich war sehr froh, dass ich diese in mp3 digitalisiert auf Google Music hochladen konnte und von dort überall hören konnte.
Es war sogar möglich die Musik wieder bequem offline auf das Gerät zu laden (ein Segen für lange Zugfahrten durch das deutsche Hinterland ohne Internet).
Dann die Meldung im Mai 2020: „Google Play Music wird eingestellt„
Na klar, die App hatte sich die letzten Jahre nicht weiter entwickelt. Aber wozu auch. Sie war ja ganz in Ordnung und hatte alle Features, die ich brauchte.
Nun saß der Schock tief. Da Google Play Music (neben Gmail und Google Drive) die von mir am meisten benutzte Anwendung ist.
Enttäuschung über Google hat Tradition
- Bereits 2009 wurde die erste Form von Google Notes, das Google Notizbuch, abgeschaltet.
Sie waren so einfach und so simpel, dass ich sie intensiv genutzt hatte.
Seitdem bin ich im Grunde mit allen anderen Notizen-Apps unzufrieden und wechsel jedes Jahr die Anwendung. - Dann 2013: „Google Reader wird abgeschaltet„. Ich war Powernutzer und habe den Feedreader genutzt, um mich auf dem Laufenden zu halten.
Auch hier habe ich bis heute keinen adäquaten Ersatz gefunden und nutze RSS leider kaum noch. Eine sehr traurige Entwicklung, weil die Content-Syndication das Internet etwas näher zusammengebracht hat. - Im gleichen Jahr wurde auch iGoogle eingestellt. Ich war zwar nicht so abhängig davon wie vom Google Reader, aber ich hatte mich an die nette Dashboard-Darstellung gewöhnt, die mir täglich einen guten Überblick über das Geschehen in der Welt gab.
- Picasa: Zur Verwaltung unserer privaten Bilder (ca. 600 GB) war die lokale Version von Picasa ein echter Segen. Trotz eingestelltem Support im Jahre 2016 nutzen wir das Tool immer noch. Insbesondere weil Google Fotos aufgrund der Datenmenge in Kombination mit einer dünnen Internetleitung keine Alternative ist.
- Google+ wurden dann 2019 eingestellt. Ok, das hat mich nicht so hinterhältig überrascht. Vielleicht hatte sich bereits etwas Hornhaut gebildet oder weil der Spam zu aufdringlich wurde.
Die Hornhaut gegen Enttäuschungen ist aber offenbar nicht dick genug.
Das Abschalten von Google Music trifft mich hart.
Immerhin nutze ich die App täglich im Zug auf dem Weg zur Arbeit.
Hinzu kommt die Frechheit von Google mich auf Youtube Music drängen zu wollen. Ich darf sogar meine Musik migrieren! Dann kann ich die Musik allerdings nicht hören ohne die Youtube App zu schließen. Außerdem bekomme ich, um meine bereits als CD gekaufte Musik zu hören, dankenswerterweise Werbung eingeblendet. Alternativ kann ich ein monatliches Abo abschließen. Ich möchte aber nicht weitere Musik hören (dazu bin ich auf Spotify), sondern eine Möglichkeit meine bereits gekaufte Musiksammlung bequem zu hören ohne dass ich dafür nochmal extra drauflegen muss.
Meine Erkenntnis
Es ist nicht nur die Enttäuschung. Ich konnte mir meine Musik immerhin wieder runterladen. Allerdings hatte ich für ca. 100 Alben die Coverbilder in Google Music nachgepflegt, diese konnte ich nun leider nicht mit runterladen. D.h. ich darf das nochmal nachziehen.
Im Gegensatz zu Picasa kann ich Google Music nicht einfach weiterbenutzen. Dadurch, dass meine Daten in der Google-Cloud liegen bin ich auf Gedeih und Verderben der Gnade von Google ausgeliefert.
Und das wurde mir mit dem Abschalten von Google Musik klar:
Wenn ich meine Daten Google (oder einem anderen Dienst) gebe, dann bin ich mit Haut und Haaren ausgeliefert.
Wird etwas verändert oder der Dienst eingestellt, stehe ich mit leeren Händen da!
Das ist prinzipiell nichts Neues und das habe ich natürlich auch gewusst. Aber es war bequem und manchmal ist es einfach nett, wenn man sich entspannt zurücklehnen kann und es kümmert sich jemand darum, dass alles läuft.
Fazit – Regain control
Auf der Suche nach vorhanden Alternativen bin ich auf keine Zufriedenstellenden gestoßen. Aber siehe da, ich habe doch noch meinen eigenen Webspace mit 300GB Speicher (völlig ausreichend für meine 100GB Musik).
Also habe ich ins Blaue hinein Nextcloud (die auf der Website auch noch passenderweise „Regain control“ propagieren) installiert. Das ging wirklich sehr einfach und bequem.
Über die Webapp Music kann ich meine Musik im Browser abspielen oder über den Nextcloud-Client lokal synchronisieren.
Da Music auch noch die Subsonic API anbietet, gibt es einige Mobile Aps, um auf dem Handy Musik zu hören (und auch offline verfügbar zu machen).
Ich nutze die Android-App Ultrasonic. Besonders zu schätzen weiß ich, dass der Code dazu auf Github liegt!
Da ich nun mein eigener Cloud-Anbieter bin, wurde ich mutig.
Mein geliebtes Google-Drive durfte auch dran glauben.
Die 10 GB, die ich dort an Dokumenten und weiteren Datein liegen hatte, sind direkt auf meine Nextcloud gewandert.
Nextcloud statt Google-Drive?
Die Bedienung ist genauso bequem. Es funktioniert einfach! Keine Einschränkungen und ich bin im Besitz meiner Daten!
Also: Tschüss Google Drive!!!
Dann fiel mir ein paar gekaufte Ebooks ein, die ich bequemerweise auf Google Books hochgeladen hatte.
Jahrelang konnte man diese nicht wieder runterladen (was sehr bezeichnend ist 🙄). Aber immerhin, mittlerweile kann man seine eigenen hochgeladenen Ebooks wieder herunterladen (wie nett von Google).
Über den Nextcloud-Client auf dem Handy kann ich mir die Bücher lokal synchronisieren und dann mit einer beliebigen Ebook-Reader-App bequem lesen. Hervorragend! Es ist gar nicht so schwer die eigene Kontrolle wieder zu übernehmen!
Also: Tschüss Google Books!!!
What’s next?
Ich habe jetzt Blut geleckt meine eigenen Daten auch selbst zu verwalten.
Als nächstes stehen Kalender, Kontakte und letztendlich Gmail auf dem Plan. Auch hier gibt es Apps im NextCloud-Universum. Ich bin gespannt.
Übrigens: Für die Suche nehme ich schon länger Ecosia (nur in sehr speziellen „High-Tech“-Suchen gehe ich auf die Google-Suche zurück.
Letztlich hatte das Abschalten von Google Play Music für mich doch etwas Gutes. Ich fange wieder an verantwortungsbewusst mit meinen eigenen Daten umzugehen und werde sie nicht mehr einfach glänzenden Gratisdiensten in den Rachen schleudern, die dann ihre Services prompt einstellen falls mit meinen Daten das Geschäftsmodell nicht trägt.
Danke für’s Aufwecken, Google!